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Das Bild des "Türken" in Europa, Prof. Dr. Bozkurt Güvenç

Wir Türken sehen uns selbstverständlich als Türken, so nehmen wir uns wahr; und dass uns auch andere als "Türken" sehen, wissen wir. So weit, so gut. Aber stimmt denn der "Türke", der in unserem Verstand und Herzen lebt, mit dem Bild, das sich andere von uns machen, überein, ja ähnelt es ihm auch nur ? Sieht sich der Ausländer, sagen wir der Deutsche, Franzose, Engländer, Italiener, selbst so, wie wir ihn uns phantasieren ?

Man nennt die Selbstwahrnehmung des Mitglieds einer bestimmten Gesellschaft oder Kultur "Identität", dagegen die Wahrnehmung bzw. das Urteil durch Außenstehende "Image". Abgesehen von einigen Berührungspunkten gleichen sich Selbstbild und Fremdbild nur wenig. In dieser Untersuchung will ich herausfinden, - nicht wer wir Türken sind, sondern wie der "Türke" in den Köpfen der Europäer aussieht.

Mit der Frage wurde ich erstmals 1945 in Amerika konfrontiert. Mein amerikanischer Vermieter, Mr.Miner, ein ehemaliger Schneider und gebürtiger Wiener (ursprünglich hatte er Gmeiner geheißen), brachte mir einen Einschreibebrief mit der Bemerkung. "Hätte ich gewusst, dass Sie Türke sind, dann hätte ich Sie nie in mein Haus einziehen lassen". Ein wenig verletzt und erstaunt fragte ich nach dem Grund. Und dann kam es heraus: "Von 50-60 Jahren drohte mir meine Mutter: 'Schlaf, sonst geb ich dich den Türken'. Seit ich weiß, dass Sie Türke sind, habe ich Schlafprobleme".

Als ich 1973 von New York nach London flog, saß ich neben einem AP- oder UP-Reporter. Da mein Reisegenosse ein Amateur-Sprachforscher war, interessierte es ihn, aus welchem Land (welcher Nation) ich stammte. Wenn wir noch ein wenig redeten, würde er das aus meinem Tonfall, meinem Akzent herausgefunden, haben, sagte er. Und schließlich war er soweit: "Aus Rumänien, Ungarn, Syrien, Iran oder Afghanistan". Als ich ihn fragte, weshalb die Türkei in der Liste der Länder nicht verkomme, meinte er: "Sie ähneln keinem Türken", freilich ohne zu erklären, wem ein Türke ähnelte. Schließlich wollte er mir nicht so recht glauben, dass ich Türke war.

Sie selbst kennen wahrscheinlich auch Westeuropäer, die Ihnen bei der ersten Begegnung das Türke-Sein nicht abnehmen. "Also Sie, wirklich, wie Sie hier stehen, sind echt, von Vater- und Mutterseite, von Geburt und Aufwachsen her Türke? Haben Sie Ihr ganzes Leben in der Türkei verbracht?” so wird gefragt, weil der Türke, der vor ihnen steht, nicht mit dem Türkenbild im Kopf zusammenpassen will. Statt nun dieses Vorstellungsbild zu korrigieren, versucht man die Spannung dadurch aufzulösen, dass man das Gegenüber nicht als echten Türken ansieht. Der zeitgenössische englische Wissenschaftler Geofrey Lewis erzählt folgende Begebenheit, die sich bei der Neuauflage seines Buches über die Türkei ereignete: "Ein Artikel mit der Überschrift 'Die Türkei und die arabischen Länder' wurde vom Herausgeber ohne mein Wissen in ‘die Türkei und die anderen arabischen Länder’ umgeändert. Offenkundig bedeutet dies doch: Im modernen westlichen Denken wird die säkularisierte Türkei mit den islamischen arabischen Ländern in einen Topf geworfen." Ein französischer Filmkritiker, der den umstrittenen Film "Midnight Express" in "Le Monde" vorstellte, beendete seinen Artikel so: "Die Handlug löst im Zuschauer derartig tiefe Hassgefühle aus, dass der Mensch beim Verlassen des Kinos wünscht, so eine Nation möge es nicht geben, die hat kein Existenzrecht".

Ein junger Forscher (Bekir Onursal, 1986) hat bei einer Untersuchung des Türkenbildes in amerikanischen Schulbüchern für die Mittel- und Oberstufe folgende Liste von charakterisierenden Bezeichnungen für die Türken zusammengestellt: "Bergmenschen, Sklaven der Araber, rauhe Krieger, Barbaren, kriegerische Rasse, kämpferische Nation". Woher kommen alle diese Anekdoten und Apostrophierungen, von denen es natürlich noch viele ähnliche gibt? Zweifellos haben auch unsere vom Dorf stammenden Arbeiter in Europa das ihre hierzu beigetragen, sozusagen ihr "Salz in die Suppe" gerührt. Jedoch, so glaube ich, nährt sich das Türkenbild der Europäer aus Schichten, die schon in eine viel frühere Zeit zurückreichen, aus einem tief im kulturellen Gedächtnis liegenden Bodensatz.

Während in der Mitte des letzten Jahrhunderts die Osmanische Regierung, durch den Reformerlass vom Gülhane Park (1839) und die Reform- und Toleranzedikte von 1856 versuchte, sich Europa anzugleichen und in der Augen der westlichen Welt gut dazustehen, erläuterte Kardinal Newmann 1854 in einer Vortragsserie zur türkischen Geschichte genau diese Frage. Mit den Worten des Kardinals: "Von den Visigoten bis zu den Sarazenen haben alle Rassen und Stämme, die mit dem Christentum in Berührung kamen, früher oder später das Christentum angenommen. Die einzige Ausnahme sind die Türken. Nicht nur wurden sie nicht Christen, sie setzten sogar alles daran, das Christentum auszumerzen. Seit ihrem Eintritt in die Geschichte im Jahre 1048 stellen sie das Symbol der Feinde des Kreuzes dar, sind ihr Sprecher und Anführer. Deshalb wurden die Türken zwischen dem 11. und 18. Jahrhundert als das größte Problem und der wichtigste Feind der Katholischen Kirche angesehen. Man kann sogar sagen, das Papsttum hat das letzte Jahrtausend seiner Geschichte mit der Lösung der Türkenfrage verbracht" (aus dem 3. Vortrag). Und Newmann gibt dazu folgende Fakten aus der Geschichte der Päpste an:

Sylvester II. : Gründete gegen die Türken die "Christliche Union" und setzte sie in Bewegung.
Gregor V. : Versammelte 50 000 Soldaten, um die Türken zurückzuwerfen.
Urban II. : Begann mit den Kreuzzügen.
Honorius II. : Gründete zum Schutz der Pilger den Tempelritterorden.
Eugen III. : Ernannte St. Bernhard zum Bevollmächtigten für den "Heiligen Krieg"
Innozenz V. : Verteidigte auf dem Laterankonzil den "Heiligen Krieg".
Nikolaus IV. : Suchte die Tataren für ein Bündnis gegen die Türken zu gewinnen.
Gregor X. : Nahm mit König Edward I. an den Kreuzzügen teil.
Urban V. : Unterstützte als Gegengewicht gegen die Türken die Inthronisation eines griechischen Kaisers und krönte ihn.
Innozenz VI. : Betraute Petrus Thomasius mit der Aufgabe, gegen die Türken zu predigen.
Bonifaz IX. : Versammelte die französisch-deutsch-ungarischen Heere zum Kampf bei Nikopolis.
Eugen IV. : Formierte ungarische und polnische Einheiten, die bei Varna kämpften.
Nikolaus V. : Versuchte zusammen mit Johannes von Capistran die christlichen Fürsten gegen die Türken zu einen.
Callixtus III. : Mobilisierte die Hunniaden gegen die Türken.
Pius II. : Schrieb dem Sultan seiner Zeit die Bulle : "Halt ein, oder die Sache wird ein schlimmes Ende nehmen"
Sixtus IV. : Gründete eine Kriegsflotte gegen die Türken.
Innozenz VIII. : Legte sich Zeit seiner Regierung mit den Türken an.
Pius V. : Fügte zum Dank nach einem Sieg über die Türken der Marienlitanei die Anrufung "Auxilium Christianorum" bei.
Gregor XIII. : Schuf aus dem gleichen Anlass das Rosenkranzfest.
Clemenz IX. : Starb aus Gram, von den Türken besiegt worden zu sein.
Innozenz XI. : Ließ nach der Niederlage der Türken vor Wien das "Fest der Heiligen Maria" feiern.
Clemenz XII. : Erklärte nach dem Sieg der Christen bei Belgrad das Rosenkranzfest, das Gregor XIII. geschaffen hatte, als für die gesamte Christenheit verbindlich.

Nachdem Kardinal Newmann die Geschichte des langes Kampfes der christlichen Kirche mit den Türken zusammengefasst hat, fährt er in seinem 3. Vortrag fort wie folgt: "Ich bestreite die Kampfkraft der Türken nicht. Aber diese Kraft ist es ja, die sie zu erbitterten Feinden des Glaubens und der Kultur macht. Deswegen sind wird verpflichtet, gegen die Türken zu kämpfen und sie zu vernichten". Diese Erklärung beinhaltet das genaue Gegenstück zum Heiligen Krieg (Dâr-ül harb), den die islamische Welt dem Heidentum erklärt hatte. Kardinal Newmann spricht nicht davon, dass Papst Leo eine Abhandlung von Martin Luther verboten habe: Jedoch scheut sich Martin Luther nicht zu erklären, Papst Leo habe seinen Artikel (gegen den Türkenkrieg des Papsttums) verdammt.

Martin Luther hatte sich wirklich in zwei kleinen Schriften gegen die Türkenkreuzzüge der Katholischen Kirche gewandt: "Über den Krieg gegen die Türken " (1528) und "Aufruf zum Gebet gegen die Türken" (1541). Allerdings darf man diese Schriften nicht so verstehen, als sei Luther gegen den Heiligen Krieg, der den Türken erklärt worden war, eingestellt gewesen. Er wandte sich nur dagegen, dass dieser seitens der Kirche und im Namen der Christenheit veranstaltet wurde. Nach Luther ist dieser Kampf eine Sache der Könige oder des Kaisers (Staates), nicht der Kirche. Die Kirche und ihre Hirten müßten in der Nachfolge Jesu Liebe verbreiten und den Frieden verwalten. Luther wandte sich auch dagegen, dass unter dem Vorwand des Türkenkrieges die deutschen und anderen Christen durch Spenden ausgebeutet würden. Kurz gesagt, hat Martin Luther die Türkengefahr innerhalb seiner "protestantischen Bewegung" gegen Kirche und Papsttum mit politischer Absicht benutzt. Als er sich gegen die Kreuzzüge wandte, verteidigte er nicht etwa die Türken, sondern ganz im Gegenteil, versuchte er sein Volk und die Christenheit vor der türkischen Gefahr zu warnen. Zum Beispiel nannte er in seiner ersten Abhandlung die Türken "Gottes Knüppel" oder "seine Strafe", und 1541 formuliert er : "Die Christen, die heute unter den Füßen der Türken stöhnen und zerdrückt werden, werden diese zu gegebener Zeit richten und bestrafen", und er fügt hinzu: "Das türkische Heer ist das Heer des Teufels". Schließlich sagt er: "Wir kämpfen gegen die Türken, um Jesus gegen Muhammed zu verteidigen", und (sic!) "um diesen Krieg zu gewinnen, rufe ich die Christen zum Gebet auf".

In England kamen zwischen 1580 und 1642 in bis zu 20 Theaterstücken Türken vor. Der "Türke" geistert in verschiedener Form und Symbolhaftigkeit durch die englische Literatur bis hin zu dem Roman "Die Wellen" (The Waves) von Virginia Woolf. Am häufigsten ist die Bezeichnung "Turbaned Warriors". In den Theaterstücken der Elisabethanischen Zeit werden die Türken fast immer mit folgenden Attributen erwähnt: "Größter Konkurrent, bzw. Feind der Christenheit", "fremde Gesellschaft/Kultur", "Europas Angsttraum" usw. In Wirklichkeit war nach 1550 die Kraft der Türken gebrochen und ihre Ausbreitung zum Stillstand gekommen. Doch wurden sie, die schließlich bis vor die Tore Wiens gelangt waren, noch immer als Bedrohung für Deutschland und Italien angesehen. Obwohl 1581 zwischen Großbritannien und dem Osmanischen Reich ein Handelsabkommen geschlossen worden war, schienen die Dichter von dieser Entwicklung keine Kenntnis zu haben, denn sie stellten die Türken immer noch als "allgemeinen Feind der Christenheit" hin. Dazu passend feiert man im modernen Spanien noch immer den Seesieg bei Lepanto über die Türken (1571), und zwar mit der Interpretation, dies sei die "heilige Rache" der Christen für die Niederlage von Zypern(1571).

In Shakespeare's Othello wird der Untergang der starken türkischen Flotte in einem Sturm ganz ähnlich kommentiert. In diesem Stück rechtfertigt sich Othello, als er Desdemona tötet, vor sich selbst durch einen Vergleich mit der Kraft der türkischen Soldaten und Führer.

Im Gegensatz dazu hat Paolo Giavio in seinem Werk "Turcicarum Rerum Commentarius" die Gerechtigkeit und Kraft der Türken noch über die der alten Römer und Griechen gestellt. Und Bacon schätzte die “Türken als mindestens eine Rom gleichgestellte Kultur" ein.

Shakespeare führt in "As You Like It" die Türken mit ihrer Schlagkraft gegen die Christen als eine der Nationen des Mittleren Ostens ein. In "Henry IV." lässt der Verfasser den König Heinrich V. bei seiner Thronbesteigung zum Volk sagen: "Das englische Königshaus ist nicht wie das türkische (d.h. ich werde meine Geschwister nicht töten) Ich bin nicht Murat, ich bin Harry, Harry".

In "Richard III." ist die Rede von "Türken, bzw. Ungläubigen"; Nichtchristen, Sündern, Leugnern, schwarzen Seelen, Wilden, rohen und ungebildeten Türken, von unzivilisierten türkischen Sitten, In den “Canterbury Tales” von Chaucer kämpft der Ritter gegen die Türken. In einer Londoner Volksballade von 1598 nimmt ein junger Londoner Bursche am Krieg gegen die Türken teil, besiegt sie, gewinnt die Tochter des Sultans und wird glücklich.

Wieder in Shakespeare’s "Henry IV." rühmt sich der junge König Heinrich V. vor seiner Geliebten: "Ich werde nach Istanbul gehen und den Türken an seinem Bart packen (bzw. aufhängen)”.

Mit einem Wort war der "Groß-Türke" oder "Großherr" für die christlichen Könige ein erbarmungsloser, unveränderlicher Feind. In Wirklichkeit waren die Türken "dem gegebenen Wort treu, von hoher Gerechtigkeit und Zuverlässigkeit, nicht hinterhältig, anständige Charaktere", doch waren genau die gegenteiligen Redensarten im Umlauf, und diese hielten sich zäh, Redensarten wie "der kleine Türke" oder "der Zehnpfennigtürke" (The Turk of tenpence). In einigen Werken der englischen Literatur wird erwähnt, dass die Kinder auf Puppen, die "Türken" hießen, zum Spaß mit Pfeilen schossen. In "King Lear" spricht Shakespeare von den Türken als "hinter den Frauen her" (mit losem Hosenbändel). Marlowe lässt in seinem Bühnenstück "Timurlenk I." die besiegten Türken durch den Sieger Timurlenk verächtlich "braggers" nennen. Die am häufigsten erwähnten Sünden der Türken sind "Grausamkeit, Unterdrückung, Zerstörungswut". In der Literatur und den Theaterstücken jener Zeit werden die Türken als "Gottes Strafe für die Sünder" hingestellt.
Im aufgeklärten oder traditionellen westlichen Denken, das sich mit dem Christentum auseinandersetzt, finden sich natürlich auch positive Stimmen, den Islam und die Türken betreffend. So war Kaiser Friedrich II. von der islamischen Kultur begeistert. Und Dante zählt in der “Göttlichen Komödie” Ibn Sina und Ibn Rüsd zu den zwölf größten Genies der klassischen Zeit.

Als jedoch die Türken die geschichtliche Bühne betraten und das Herz Europas vor Angst zu zittern begann, änderten sich die Gedanken und Überzeugungen in Bezug auf Muslime und Türken von der Wurzel her. So schreibt z.B. Bacon, dass İbn Rüsd von den westlichen Philosophen akzeptiert würde, doch Bischof Tempier verwarf 1277 die deistische Philosophie des Ibn Rüsd vollständig. Und Raymondus Lullus forderte schon 1311, als die Türken noch gar nicht in die europäische Geschichte eingetreten waren, auf einer geistlichen Versammlung in Wien, militärische Vorkehrungen gegen den Islam zu treffen.

Neben allen diesen westlichen Philosophen und Geistlichen, die sich mit der Türkenfrage befassten, kann man auch Wissenschaftler und Historiker finden, die vom "ruhm- und ehrenreichen Türkischen Imperium" sprechen, das Europa in Schrecken versetzt, etwa Richard Knolles mit seinem Werk "A General Historie of the Turkes" von 1603. Der erste westliche Denker, der mutig und offen die religiösen und sittlichen Vorurteile gegen die Türken bekämpfte, war Voltaire. In dem Sammelband "Türken, Muslime und die anderen" (in türkischer Sprache, 1975, einer Veröffentlichung der İş Bankası) untersucht Osman Yenseni sechs Werke Voltaires, angefangen vom "Philosophischen Wörterbuch" bis zu "Peter, der Große". Voltaire gesteht zwar, dass er die Türken, die "ihre Frauen unterdrücken und sich für die schönen Künste nicht interessieren", nicht mag, aber: "Vor Verleumdungen ekelt mich derart, dass ich mich am Dreck-Schleudern nicht mal gegen die Türken beteilige". In der genannten Sammlung wendet sich Voltaire gegen lügenhafte, falsche Vorurteile, die Türken betreffend, und erwähnt aus der türkischen Geschichte bisher unbekannte positive Beispiele, die man möglicherweise nicht wahrnehmen wollte. Wie dem auch sei: Voltaire stand alleine da, hatte auf sein Zeitalter, die Masse und ihre Vorstellungen keinen Einfluss.

Während im Zeitalter der Aufklärung die Philosophen versuchten, die Vorurteile gegen die Türken zu korrigieren, befand ein Zeitgenosse Voltaires, der berühmte englische Schriftsteller Dr. Samuel Johnson, es nicht mal für wert, sich mit dem Türkenthema auch nur auseinanderzusetzen, geschweige denn, darüber zu schreiben. Wie schnell und tiefgreifend sich die Gefühle und Gedanken der westlichen Welt in Bezug auf die Türken zwischen 1600 und 1750 gewandelt hatten, mag ein Urteil Johnsons (1751) über den Historiker Knolles veranschaulichen: "Das Werk über die türkische Geschichte (1603) des Historikers Knolles ist eine unvergleichliche Studie zu einem nunmehr wertlosen und uninteressanten Gegenstand. Der Verfasser wäre nicht dem Vergessen anheimgefallen, hätte er ein anderes Thema als diese abgelegenen, barbarischen Türken gewählt. Deshalb ist es bloß bedauerlich für unsere Nation, die diesen großen Historiker hervorgebracht hat, dass er sein Genie an eine fremdartige und nutzlose geschichtliche Untersuchung verschwendet hat. Hätte Knolles, statt sich mit den Türken zu befassen, die Geschichte seines eigenen Landes geschrieben, wäre er zweifellos in die Reihe der Unsterblichen aufgenommen worden" (nach G. Lewis 1974). Als der Westen universelle Wertvorstellungen entwickelte, die -selbstverständlich- seiner eigenen Kultur entsprachen, da schuf er im Grunde auch den "Osten", indem er das eigene Dasein und Sosein gegen den Osten abgrenzte (die Türken und das Türkische als Antithese benutzend). Der "Westen" gewann höchste Bedeutung, während "östlich" zum abwertenden Beiwort wurde. Dabei wurden die Türken zu Vertretern des (in den Augen der Europäer) ständig kleiner werdenden Ostens. Andererseits konnte man seine Verehrung und Bewunderung für die Türken, die vor dem 17. Jh. Europa in Furcht versetzt hatten, nicht verbergen. In jener Zeit, als die "prächtigen und fabelhaften" Türken Europa als klein ansahen, hatten die Europäer die Türkei erforscht und ein Bild von den "Türken" entwickelt. Als dann im 19. Jahrhundert die Türkei vom Westen abhängig wurde, gewann das Türkenimage, als Gegenpol zur Kultiviertheit, noch einmal eine neue Dimension. Dass im Zeitalter der Aufklärung die Geschichtsbetrachtung sich zunehmend von religiösen Vorurteilen löste, reichte nicht aus, die Vorstellungen über die Türken zu korrigieren. Pernoud fragt (1977) folgendermaßen: "Gibt es einen Wissenschaftler, der so intelligent (beherzt, anständig) wäre, von den Heldentaten, Fähigkeiten und der geistigen Durchdringung der Ereignisse durch die Türken zu erzählen?" Die Denker des 18. Jahrhunderts fanden, als sich im Westen der Absolutismus entwickelte, dessen "Idealtypus" (im Weberschen Sinne) im Osten verwirklicht, insbesondere in der Osmanenherrschaft die sie dann als "Despotismus" qualifizierten. So wurde das Osmanische und Türkische zum Prügelknaben des westlichen Denkens. Und das Vorstellungsbild vom "Türken" begann sich seit dem 18. Jahrhundert noch einmal zu wandeln.

Das Bild vom Orient und vom Türken entwickelte sich in drei verschiedenen Schritten. Zuerst einmal brachten die Reisenden eine Mischung aus Begriffen und Beobachtungen mit, die die Philosophen und Experimentatoren dann bearbeiteten, und die Orientalisten und Turkologen schrieben darüber und verbreiteten das Ganze in der Welt. Eigentlich war das Interesse der westlichen Gesellschaft an der Türkei nach der Renaissance gewachsen. Eines der meistgedruckten Bücher war im 17. Jahrhundert die Türkei-Reisebeschreibung von Villamount (1595). Sie erlebte über 20 Auflagen. Doch die zweite Belagerung Wiens (und die Niederlage) bedeutete für das Interesse an den Türken den Wendepunkt: die Besiegten waren kein Angsttraum mehr, sondern nur noch Vertreter einer anderen, exotischen Kultur.

Auf dem Weg von Bodins Gedanken der "Grausamen Monarchie" (1529) bis zu Montesquieus "Östlichem Despotismus" hat auch der Begriff der "Patromonialen Königreiche" von Hobbes (1651) einen wichtigen Platz. Der Begriff der "Patromonialen Monarchie", den übrigens Max Weber zu Beginn unseres Jahrhunderts wiederbelebte, war auf das Osmanische Reich bezogen gewesen. Hobbes hatte diese Monarchien mit dem Symbol des "Leviathan", eines Meeresungeheuers aus dem Alten Testament, gekennzeichnet. Es ist eine Regierungsform, die dem einzelnen Mitglied der Gesellschaft keinerlei Rechte zugesteht, während der Monarch alles Recht, alle Befugnisse in seiner Hand gesammelt hat, sodass dem Einzelnen nur noch die Pflicht zum Gehorsam bleibt. Aus diesem Grunde wurde der "Leviathan" von den westlichen Denkern als "eine philosophische (moralische) Rechtfertigung der despotischen Herrschaft" kritisiert. Nach dieser Ansicht habe Hobbes "sämtliche Verbrecher, die sich die Herrschaft mit Gewalt angeeignet haben, legitimiert". Daher stammt zu einem Teil die Ablehnung von Hobbes und dem türkischen Regierungssystem im westlichen Denken. Die Christen lehnten auch den Gedanken "Homo homini lupus" (der Mensch ist dem Menschen ein Wolf) von Hobbes ab. An drei kurz hintereinander erschienenen berühmten Reisebeschreibungen lässt sich nachweisen, wie sich das Verhalten des Westens gegenüber dem Osten durch den Einfluss des "Leviathan" gewandelt hat.

Chardin (1687) lobt die türkische Politik, die er für der europäischen überlegen hält, und die, obwohl außerhalb von Regeln und Institutionen, doch vom gesunden Menschenverstand geleitet sei. Tavernier (1677; 1680), der den harten oder reinen Despotismus kritisiert, ist von der Regierungsform und Gerechtigkeit der Osmanen angetan. Barnier (1699), der von allen östlichen Gesellschaften nur Indien erforscht hat, rechnet den Iran und das Osmanische Reich schlichtweg zum Despotismus des Ostens. Grotius (1746) betrachtete Krieges- und Friedensrecht im Rahmen der Kreuzzüge und rief alle Christen zur "Vereinigung gegen die Türken" auf.

Ausgehend von der oben genannten Reisebeschreibung, sah auch Montesquieu den Osmanischen Staat als "Prototyp" des "despotischen Staates" an. Er wirkte auf sein Zeitalter durch kurze Schriften und Bücher. Außerdem kritisierte er die Türkei als "das Land, wo die Freiheit am stärksten beschnitten ist".

Die Auseinandersetzungen zwischen dem bürgerlichen Voltaire und dem Adeligen Montesquieu basieren auf dem oben Gesagten.

Voltaire, der die Türken gegen seine Zeitgenossen verteidigte, wandte sich auch gegen Bernier und bezog sich lieber auf Marsigli (1739). Aber trotz allen persönlichen Einsatzes gelang es Voltaire nicht, die Vordenker des Aufgeklärten, bzw. Enzyklopädischen Zeitalters davon abzubringen, den Osmanischen Staat für "despotisch" zu halten und diese Vorstellung noch zu vertiefen (wie Turgot, Rousseau, Diderot).

"Das längste Jahrhundert des Osmanischen Reiches" (das 19.) endete damit dass der "Kranke Mann am Bosporus" starb und sich und sich die westlichen Mächte sein Erbe teilten. Trotzdem ergab sich in der "Türkischen Frage" aus der Sicht der Europäer keine bleibende Lösung. Die Kemalistische (nationale und säkularisierte) Türkische Republik, die sich aus den Trümmern des Imperiums erhob, verwirrte den Westen aufs neue. Die Freude blieb dem Westen regelrecht im Halse stecken.

Der Bürger dieser neuen Republik, das war ja der im modernen Westen nicht bekannte, dem Bild des Türken nicht gleichende Türke. Jedoch glich der neue "Türke" auch nicht den Menschen aus den türkischen Dörfern, die unter der Bezeichnung "Gastarbeiter" in die Länder des Westens geschickt worden waren. Dass die "Gastarbeiter" genannten Türken mit den westlichen Gesellschaften nicht in kulturellen Austausch traten, bzw. sich nicht akkulturierten, verursachten sie in diesen Gesellschaften unerwartete Schwierigkeiten und harte Probleme. Sie irritierten den Westen, verärgerten ihn und lösten sogar Ängste aus. Jener starke Westen, der geglaubt hatte, billige Arbeitskraft importiert zu haben, sah sich mit einer harten, stabilen, widerstandsfähigen Sorte Menschen konfrontiert, die man nicht aussaugen konnte. Jedoch haben die in den tiefen Graben zwischen christlich westlicher und islamisch türkischer Kultur aufwachsenden Kinder der zweiten und dritten Generation nicht nur bei uns Türken, sondern auch bei den Verantwortlichen des Westens Besorgnis ausgelöst. Zu keiner bekannten Kultur oder Subkultur gehörig, haben diese Kinder wohl, eher als einen Prozess der Kulturaneignung, eine Art von Kulturverlust durchgemacht.

Nun haben die Türken, die eist vor Wien umkehrten, heute Wien längst hinter sich gelassen. Sie verlangen das Recht auf Freizügigkeit im Baltikum, am Rhein und an der Elbe. Der Westen jedoch versucht, aus Interesse und noch viel mehr aus Besorgnis vorherzusehen, ob die Türken an dem historischen Knotenpunkt, den sie nun erreicht haben, sich nach "Westen oder nach Osten" wenden werden. Deshalb werden alle Fragen, die Republik Türkei betreffend, sei es die Freizügigkeit oder der EG-Beitritt, unter dem Aspekt behandelt, wohin dieses Land wohl in nächster Zukunft tendiert. Wird die Türkei, die in den letzten Jahren offiziell die Vollmitgliedschaft in der EG beantragt hat, sich nun dem Westen oder dem Osten zuneigen? Hier liegt die Hauptfrage. Die Türken haben mit ihrer Militärkraft, ihrer Bindung an den Islam und ihrem Staat den Westen jahrhundertelang in Schrecken versetzt und tief beeindruckt. Der säkularisierte Westen fürchtet sich vor dem Islam und vor politischem Fanatismus, der zum Mordversuch am Papst geführt hat.

Der christliche Westen traut der gesetzlich und rechtlich verankerten Säkularisierung in der Türkei nicht ganz; er befürchtet offen eine Renaissance des islamischen Radikalismus.

Der sozialdemokratische (sozialistische) Westen ist der Zukunft der Demokratie in der Türkei trotz allem nicht sicher.

Der vernünftige (realistische) Westen, statt die Türkei als ein europäisches Land zweiter Klasse an die Brust zu drücken, versucht, da sie ihm als der natürliche Führer (bzw. ein Element des Ausgleichs) im Nahen Osten erscheint, sie zu schützen oder als Brücke zu benutzen.

Zusammenfassend gesagt: Die westliche Welt weiß nicht so recht, wie sie die mittelöstliche Türkei einordnen bzw. beurteilen soll. Deswegen akzeptiert sie die Türkei einerseits nicht als Partner, andererseits kann sie sie auch nicht offen zurückweisen. Sie wird im Wartestand "zwischen Himmel und Hölle" gehalten.

Nähern wir uns dem Westen, wird Griechenland unruhig; einigen wir uns mit den arabischen Ländern, so stört das Israel.

Da diese beiden Staaten für das politische Gleichgewicht so bedeutend sind, ergibt sich für unsere Beziehung zum Westen, die sowieso auf sozio-kulturellem Gebiet in einer Patt-Situation steckt, die passende Umgebung. Bei der Neubewertung der Geschichte, bei der Überwindung der soziokulturellen Hürden ist wohl auch die außenpolitische Dimension zu beachten, scheint mir. Die Türken haben Europa nicht geteilt, ohne Zweifel. Aber oft haben die Türken es geeint - gegen sich! Da das Bild vom "Türken" für die Herausbildung der europäischen Identität so hilfreich war, wird im Neuen Europa auch für die Türken ein Platz sein, sage ich..., wenn nicht heute
 

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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